Netzwerk Nutztiere 2024: Reduktion Stickstoff und Phosphor in der Nutztierhaltung: Aktuelles aus der Wissenschaft

Samuel Vogel vom Bundesamt für Landwirtschaft hat die Tagung eröffnet und die politischen Rahmenbedingungen dargelegt. Der übermäßige Einsatz von Stickstoffdüngern führt dazu, dass der Stickstoff nicht komplett von den Pflanzen aufgenommen wird. Ein Teil des Stickstoffs entweicht in die Atmosphäre und verbindet sich dort mit Sauerstoff zu Lachgas. Lachgas wirkt auch als Treibhausgas und trägt somit zur Klimakrise bei. Ein anderer Teil versickert im Boden und gelangt so ins Grundwasser oder durch Oberflächenabfluss in Flüsse und Seen. Nitrat belastet nicht nur das Grund- und Trinkwasser, sondern beeinflusst im Meer auch das Algenwachstum. Zu viele Algen sorgen für tote Zonen im Meer. Dasselbe passiert in den Seen bei einem Phosphorüberschuss.

Ammoniak entsteht bei der Vermischung von Harn und Kot. Der im Harn enthaltene Harnstoff wird durch Bakterien im Kot zu Ammoniak und Kohlendioxid zersetzt. Ammoniak in der Luft / im Regen führt zur Überdüngung von Wäldern, Magerwiesen und Mooren.

Das Thema hat deshalb national, sowie global eine grosse Bedeutung. In der Agrarpolitik werden immer wieder aufs Neue Etappenziele festgesetzt, was von Seiten der Landwirtschaft zum Vorwurf einer Salamitaktik geführt hat. Als Reaktion darauf wurden Umweltziele für die Landwirtschaft formuliert, sodass mehr Klarheit darüber entsteht, wohin der Weg gehen soll. Diese legen unter anderem Zielwerte für Ammoniak, Lachgas und Nitrat bis 2030 fest, mit denen die Tragfähigkeit der Ökosysteme gewährleistet ist. Stand 2014-2016 müssten die N-Emissionen um mindestens 33% sinken, damit diese Ziele erreicht werden können. Die Phosphorreduktion ist bereits weiter fortgeschritten. Der Absenkpfad Nährstoffe soll uns dahin führen. Instrumente sind unter anderem der ökologische Leistungsnachweis, die Produktionssystembeiträge (dazu gehört auch die verlängerte Nutzungsdauer der Kühe), die Ressourceneffizienzbeiträge (z. B. emissionsmindernde Ausbringung der Gülle) und das Informationssystem (digiFLUX).

Auch das Engagement der Branche ist gefragt, denn die Ziellücke soll von Produzenten- und Brancheorganisationen geschlossen werden.

Bei der zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik liegen die Schwerpunkte momentan bei der Ernährungssicherheit und der Vereinfachung des administrativen Aufwands. Dazu gehört das Projekt Agridata, über das wir im März-Newsletter berichtet haben.

Die Stickstoffemissionen entstehen konkret vor allem in der Produktion von tierischen Nahrungsmitteln und anderen tierischen Produkten, wobei das Rindvieh mit einem Anteil von 71% an den Ammoniakemissionen an der Spitze steht.

Samuel Vogel hat klar gemacht, dass die Landwirtschaft das Problem nicht alleine lösen kann. Weniger Tiere machen nur dann Sinn, wenn der Konsum sich ändert. Eine grosse Rolle spielt deshalb die Ernährungsstrategie. Das wird in der folgenden Grafik in einem Exkurs zur Klimastrategie, die mit der N- und P- Thematik eng verbunden ist, gezeigt.

 

Thomas Steinberger von der Versuchsstation Nährstoffflüsse Luzern (Agroscope) hat im folgenden Vortrag aufgezeigt, wie schwierig es ist, einzelbetriebliche Nährstoffmessungen für Stickstoff und Phosphor zu machen. Zwar stimmen die Gehalte der Futtermittel sehr gut mit Swiss Feedbase und den Etikettenwerten überein, aber die Mengen unter Praxisbedingungen zu messen auf 26 engagierten Betrieben, hat für das Team von Wissenschaftlern eine grosse Herausforderung dargestellt. Die Futtermengen in Heustöcken sind schwer abzuschätzen und in einem Gülleloch landet ausser dem Mist der Kühe plötzlich auch noch der Geflügelmist. Das Team bleibt dran, denn es wäre spannend herauszufinden, welche Betriebe eine gute Bilanz haben und was diese anders machen.

Sabine Schrade von Agroscope Tänikon hatte es in diesem Punkt etwas leichter, denn sie konnte ihre Messungen in einem Emissionsversuchsstall machen. Ihr Team hat untersucht, ob eine proteinärmere Fütterung die Stickstoffemissionen reduziert und konnte diese Hypothese bestätigen. Als signifikante Grössen für die Beeinflussung der Emissionen konnten die Ration (12% RP vs 17%), die Windgeschwindigkeit und die Aussentemperatur festgemacht werden. Der Milchharnstoffgehalt wurde als guter Indikator identifiziert. Die Optimierung des RP-Gehaltes in der Ration hat somit Potential und erfordert keine teuren Investitionen, wie z.B. bauliche Massnahmen.

Kritisch diskutiert wurde die Zeitdauer des Versuchs. Die Kühe wurden jeweils während 16 Tagen mit einer Ration mit tiefem Proteingehalt gefüttert, wodurch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Körperreserven mobilisiert werden.

Patrick Schlegel (Agroscope) hat einen sehr spannenden Vortrag zur Phosphorversorgung der Kühe gehalten. Die Versuche seines Teams haben gezeigt, dass je nach Gehalt des Phosphors im Futter (Weidegras und Kraftfutter im Versuch) gar keine Ergänzung notwendig ist. Der Phosphorgehalt im Wiesenfutter ist dabei abhängig vom Entwicklungsstadium (je älter, desto tiefer), der botanischen Zusammensetzung (je höher der Gräseranteil, desto tiefer), dem Aufwuchs (1. Schnitt tiefer) und der Konservierung (siliert höher). Bei extremer Trockenheit ist der Phosphorgehalt reduziert. Bei gleichem Schnitt, Entwicklungsstadium und botanischer Zusammensetzung haben Region und Höhenlage keinen Effekt.

Seine Schlussfolgerung ist, dass die Phosphorergänzung aufgrund von Analysen der wichtigsten Grundfutter erfolgen sollte und es Mineralfutter-Produkte ohne Futterphosphat braucht. Ausserdem sind Modelle nötig, um Hofdüngermengen und -gehalte richtig einschätzen zu können. Die grösste Herausforderung wird sein, die Einstellung von «je mehr, desto besser» zu «so viel wie nötig» zu ändern. Auch weil es immer noch sehr viel Ängste rund um die Rolle von Phosphor beim Festliegen gibt.

Für mehr Informationen zur Transitfütterung und der Rolle von Phosphor kann man sich gerne bei Rindergesundheit Schweiz melden.

Wer noch mehr vom grossen Wissensschatz von Patrick Schlegel profitieren möchte, kann unser Webinar zu den Spurenelementen online nachschauen (nur französisch verfügbar): RGS-Webinar März 2023: Approvisionnement en oligoéléments

Barbara Früh vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL hat die Chancen und Herausforderungen dieser Produktionsform hinsichtlich der Reduktion von Stickstoff und Phosphor dargestellt. Gewisse Wege zur effizienten Fütterung, wie z.B. der Einsatz von einzelnensynthetischen Aminosäuren (Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen), wodurch der Gesamtproteingehalt des Futters gesenkt werden kann oder der Einsatz von Extraktionsschroten (Hexan als günstiges Lösungsmittel wird als bedenklich eingestuft) sind in der biologischen Produktion nicht erlaubt. Diese startet jedoch auf einem anderen Niveau. Biologischer Landbau führt nach einer Studie von Sanders et al. zum Beispiel zu 25% weniger Lachgasemissionen und 10% mehr Kohlenstoff im Boden. In der Milchviehfütterung wird der Kraftfuttereinsatz bereits stark beschränkt (maximal 5% Knospe Kraftfutter) und auf Grundfutter aus der Schweiz gesetzt. Ausserdem wurden einige interessante Ansätze aus der Forschungsarbeit des FiBL vorgestellt. Mit der Fragestellung, ob tanninreiche pflanzliche Futtermittelzusätze die Proteineffizienz von Kühen verbessern, wurden mehrere solcher Zusätze untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass der kleine Wiesenknopf die N-Ausscheidung im Harn und in der Milch senkt. Das ist ein Hinweis auf eine verbesserte Verdaulichkeit von RP durch natürliche Zusätze. Wasserlinsen sind nicht nur für Kühe ein spannender Ansatz, um mit Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, denn durch sie könnten N und P aus der Gülle wiederverwertet werden. Sie produzieren mehr Protein auf gleicher Fläche in weniger Zeit als Soja. Allerdings sind noch Fragen offen, so z.B. ob Schwermetalle und Pathogene recycliert werden, und es steht eine offizielle Zulassung als Futtermittel aus. Insektenprotein ist für das FiBL nur dann eine Option, wenn Substrate verfüttert werden, die weder Tier noch Mensch verwerten können, z.B. Humanabfälle oder Mist.

Im FiBL-Vortrag wurde auch noch auf Geflügel und Schweine eingegangen.

Ausserdem gab es zwei Vorträge zur Schweinefütterung: Von Peter Spring (HAFL) zur N-Reduktion und vom Gastredner aus Deutschland, Markus Rodehutscord, über Möglichkeiten und Grenzen einer P-reduzierten Fütterung beim Schwein.

Zum Schluss hat Jaques Emmenegger von der UFA über NPr (Stickstoff- und Phosphor reduziertes)-Futter referiert. Damit können Rationen optimiert werden; beim Wiederkäuer geht es zum Beispiel um die Proteinverdaulichkeit auf Stufe Aminosäuren. Es gibt jedoch noch viele Herausforderungen, unter anderem dadurch, dass der Bedarf je nach Betrieb und Zeitpunkt unterschiedlich ist.

Bei all diesen Anstrengungen sollte die Tiergesundheit und das Tierwohl nie ausser Acht gelassen werden. Ressourcen können auch eingespart werden, durch die Gesunderhaltung der Tiere, die dadurch z.B. meist eine bessere Futterverwertung aufweisen.  

 

Autorin: Ramona Deiss, Tierärztin RGS

 

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