Der Nutzen von Selen und die Symptome eines Mangels:
Selen ist für die Produktion von antioxidativen Enzymen unerlässlich, die die Zellen vor oxidativem Stress schützen. Es spielt auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle :
Selengehalt im Futter:
Mehrere Studien, unter anderem von der HAFL oder Agroscope, haben gezeigt, dass Schweizer Weiden und Futtermittel unabhängig von der Region Selen-arm sind. Der Selengehalt in Grünfutter liegt zwischen 0,03 und 0,07 mg pro kg Trockenmasse (TM) und der von Maissilage unter 0,01 mg pro kg TM im gesamten Gebiet.
Der Bedarf in Zahlen:
Laut dem Grünem Buch von Agroscope beträgt der Selenbedarf eines Kalbs und einer laktierenden Kuh 0,2 mg/kg TM und der einer trockengestellten Kuh 0,3 mg/kg TM (sie muss auch den Bedarf des Fötus decken). Gemäß den Empfehlungen der NASEM (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine) für 2021 beträgt der Bedarf einer laktierenden Kuh 0,3 mg/kg TM, um einen optimalen Gesundheitszustand und eine optimale Produktion zu gewährleisten. Es ist wichtig zu wissen, dass die Spanne zwischen dem lebenswichtigen Bedarf der Tiere und der Toxizitätsschwelle (ab 5 mg/kg TM) sehr gering ist. Diese Vergiftungen können Kühe und ihre Föten betreffen.
Laktierende Kühe benötigen daher 4 bis 6 mg Selen pro Tag (z.B. 0.3 mg Selen/kg TM, bei 20 kg TM-Aufnahme sind es 6 mg Selen/Tag). Je nach Produkt und Anbieter variiert der Selengehalt von Mineralstoffzusätzen in der Regel zwischen 30 und 50 mg/kg. In diesen Fällen würde die Verabreichung von 100 g Mineralfutter (enthält also 3 bis 5 mg Selen) pro Tier und Tag den Bedarf einer laktierenden Kuh decken.
Formen von Selen:
Neben der Verabreichung in Form von Boli (Depot oder Flash), Injektionen (in Kombination mit Vitamin E) oder Mineralstoffzusätzen ist Selen auch in organischer Form wie Selenomethionin, Selenocystein oder selenhaltigen Hefen sowie in anorganischer Form wie Natriumselenit erhältlich.
Boli und Injektionen sollten Tieren vorbehalten bleiben, bei denen ein Mangel diagnostiziert wurde. Diese Tiere müssen „wirksam” behandelt werden, bevor sie mit Mineralstoffzusätzen versorgt werden. Eine Injektion von 0,13 mg Se/kg Körpergewicht gleicht temporär den Mangel aus und erhält die Reserven des Organismus für 30 bis 60 Tage aufrecht (zumal die Produkte auch Vitamin E enthalten).
Organisches Selen wird über Aminosäuretransporter effizient im Dünndarm resorbiert. Nach der Aufnahme wird es in Form von Selenoproteinen in die Körperproteine eingebaut, wodurch eine Selenreserve in den Muskeln und anderen Geweben gebildet wird. Diese Reserve kann bei einem Mangel mobilisiert werden, wodurch das Auftreten klinischer Symptome verzögert und wichtige biologische Funktionen wie antioxidative Mechanismen und Schilddrüsenhormone aufrechterhalten werden. In der Leber wird Selenomethionin in Selenocystein umgewandelt, die aktive Form von Selen, die für die Synthese von Selenoproteinen wie Glutathionperoxidase benötigt wird, die eine entscheidende Rolle beim antioxidativen Schutz spielt.
Gemäß den Vorschriften der Europäischen Union muss mit Selen angereicherte Hefe mehr als 98 % organisches Selen enthalten, und damit sie in der EU als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden kann, muss ihr Selenomethionin Gehalt mindestens 63 % des Gesamtselengehalts ausmachen. Es ist schwierig, die genaue Konzentration zu bestimmen. Sie variiert stark von Produkt zu Produkt und sogar von Charge zu Charge (zwischen 60 und 85 %). Die Verdaulichkeit des Proteins in der Hefe beträgt nur etwa 80 %. Der für das Tier verfügbare Selenomethionin-Gehalt ist daher geringer als in seiner reinen Form.
Die Bioverfügbarkeit der anorganischen Quellen hängt unter anderem von ihrer Löslichkeit unter den verschiedenen Bedingungen im Gastrointestinaltrakt ab.
Obwohl zahlreiche Studien belegen, dass die Bioverfügbarkeit organischer Selenformen höher ist als die anorganischen Formen werden die Ernährungsempfehlungen für Rinder nach wie vor in Gesamtselen angegeben, ohne zwischen den beiden Formen zu unterscheiden. Die Zufuhr von organischem Selen und insbesondere von Selenomethionin bei Kühen verbessert jedoch die Selenkonzentration im Gewebe und im Kolostrum erheblich, was die Immunität der Mutter und die Gesundheit des neugeborenen Kalbs stärkt.
In der Praxis und in der Literatur wird daher empfohlen, einen Teil des anorganischen Selens durch organisches Selen zu ersetzen. Die Empfehlungen der NASEM befinden sich im folgenden Kapitel.
Es geht nicht nur um Selen – behalten Sie den Überblick
Andere Spurenelemente wie Kupfer, Zink, Mangan, Kobalt und Jod sind für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Tiere ebenso unverzichtbar. Sie wirken in komplexen Wechselwirkungen und tragen gemeinsam zum immunologischen, reproduktiven und metabolischen Gleichgewicht bei. Bei wiederkehrenden Problemen wie Verlusten beim Kalben, Fruchtbarkeitsstörungen oder schwachen Kälbern sollte man sich nicht auf die Untersuchung einzelner Parameter beschränken, sondern eine umfassende Analyse der Herde durchführen. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Landwirt, Ernährungsberater und Tierarzt wichtig. Die Kenntnis der Futterzusammensetzung ist ebenso wichtig wie die Kenntnis des Blutstatus der Tiere. Analysen sind möglich auf Serum- oder EDTA-Blutproben je nach gewünschter Analyse. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann eine gezielte Nahrungsergänzung an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden. Nachstehend finden Sie die Schweizer Empfehlungen aus dem Grünen Buch von Agroscope sowie die Empfehlungen der NASEM (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine).
Danksagung:
Ich möchte Patrick Schlegel (Agroscope) und Luca Fabozzi (Zinpro) herzlich für ihr Fachwissen, ihre Hilfsbereitschaft und ihre Freundlichkeit danken.
Zusammenfassung
Autorin: Amandine Baumert RGS