AGRIDEA Weiterbildungsveranstaltung: Verlängerte Zwischenkalbezeit für bessere Effizienz und Leistung? Wann und für wen lohnt sich der Umstieg?

Der virtuelle Vortragsraum war mit etwa 60 Teilnehmern gut gefüllt, als Martin Kaske von der Rindergesundheit Schweiz (RGS) das Eingangsreferat hielt. Nachdem heute ganzjährig hochwertige Rationen für Milchkühe auf Basis von Mais- und Grassilage sowie Dürrfutter zur Verfügung stehen, entfällt nach seiner Aussage eigentlich das zentrale Argument für die 305-Tage-Standardlaktation, die in Verbindung mit einer Galtperiode von 60 Tagen zu einer Zwischenkalbezeit von exakt einem Jahr führt. Trotzdem werde in der Beratung noch immer auf die zentrale Bedeutung einer kurzen Zwischenkalbezeit für die Ökonomie der Milchproduktion hingewiesen. Dabei sei eine frühe Besamung durchaus problematisch: so sinke die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Besamung in der Frühlaktation durch die bei Hochleistungskühen häufig stark negative Energiebilanz. Zudem sei das Risiko für Euterentzündungen erhöht, wenn Kühe mit hoher Milchleistung trockengestellt werden und bei längerer Laktationsdauer und damit einhergehend weniger Abkalbungen sinke die Arbeitsbelastung der Landwirte. Eine verlängerte freiwillige Wartezeit sei somit für viele Betriebe ein brauchbares Modell, da die Kühe dann einfacher tragend werden und die Milchleistung von Kühen bei späterer Besamung erst verzögert abnehmen würde – Ausdruck einer besseren Persistenz. Aktuelle Auswertungen zeigten, dass die Verlängerung der Laktation insbesondere für hochleistende Erstkalbinnen sinnvoll erscheine.

Weiter ging es mit einem Vortrag von Magdalena Keller, Agronomin bei AGRIDEA, in dem die verlängerte Zwischenkalbezeit unter den spezifischen Rahmenbedingungen der Schweiz diskutiert wurde. Sie hatte 30 Betriebsleiter befragt und ökonomische wie auch ökologische Berechnungen durchgeführt. Bei der Befragung zeigte sich, dass der Zeitpunkt der ersten Besamung auf 90 % der befragten Betriebe tierindividuell festgelegt wird. Als häufigste Empfehlungen für die Praxis wurden aufgeführt, bei hoher Milchleistung (> 40 L/Tag) grundsätzlich nicht zu besamen, pro 1‘000 kg Laktationsleistung eine freiwillige Wartezeit von 10 Tage einzuhalten (das entspricht beispielsweise bei 11‘000 L einer freiwilligen Wartezeit von 110 Tagen) und den Mut zu haben, es bei manchen Kühen bewusst „laufen“ zu lassen. Zugleich ergaben sich in der Befragung auch Argumente, die gegen eine verlängerte Zwischenkalbezeit sprechen: das Betriebskonzept (saisonale Abkalbung/Alpung), eine niedrige Milchleistung, Milchproduktion mit Kühen einer Zweinutzungsrasse, hohe Preise für Kälber, Rindviehmast als weiterer Betriebszweig, und Bedenken aufgrund einer höheren Anzahl brünstiger Kühe in der Herde.

Timothée Neuenschwander von Holstein Schweiz stellte in einem weiteren Vortrag das Thema aus Sicht der Zucht vor. Für eine verlängerte Zwischenkalbezeit sollte auf eine gute Persistenz und Fruchtbarkeit gezüchtet werden. Um trotzdem einen schnellen Zuchtfortschritt zu erreichen, biete sich der vermehrte Einsatz von gesextem Sperma an.

Im letzten Vortrag erläuterte Agrarwissenschaftlerin Marlis Ammann von der AGRIDEA die betriebsökonomischen Auswirkungen einer kürzeren oder längeren Laktationsdauer. Ob eine verlängerte Laktation schlussendlich ökonomisch sinnvoller ist als beispielsweise eine Steigerung der Milchleistung, hängt nach ihrer Aussage von der Milchleistung des Betriebes ab und in welchem Umfang die Rastzeit verlängert wird.

Alle Vorträge zeigten, dass die Verlängerung der freiwilligen Wartezeit bzw. Laktationsdauer keine allgemeine Empfehlung sei, sondern sich vorwiegend für Betriebe mit hoher Leistung und einem guten (Fütterungs-)Management anbiete. Grundsätzlich seien zu dem Thema zwar noch viele Fragen offen, doch es ergäben sich dabei jenseits etablierter Beratungsempfehlungen neue Perspektiven für viele Betriebe.   

 

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