Entscheidungsbaum für das selektive Trockenstellen

In 19 süddeutschen Milchviehbetrieben wurde ein Entscheidungsbaum für das selektive Trockenstellen bei 1369 Kühen validiert. Der Entscheidungsbaum kombiniert die Zellzahlergebnissen aus den Milchwägungsdaten und kulturelle Untersuchungsergebnisse von Milchproben. Tiere werden mit diesem System als „definiert eutergesund“ oder „definiert euterkrank“ kategorisiert und erhalten dementsprechend die Empfehlung «Trockenstellen ohne Einsatz eines Langzeitantibiotikums» bzw. «Trockenstellen mit antibiotischem Trockenstellpräparat».

Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  1. In welchem Umfang werden die Empfehlungen im Betrieb implementiert?
  2. Welches Einsparpotenzial an antibiotischen Trockenstellpräparaten wird durch die Empfehlung des Entscheidungsbaumes ermöglicht?
  3. Wie entwickelt sich die Herdeneutergesundheit, insbesondere hinsichtlich der Neuinfektions- und Heilungsraten in der Trockenperiode?

In 75,9 % der Fälle konnte eine Trockenstellempfehlung bereits aufgrund der vorliegenden Eutergesundheitsdaten aus den Milchwägungen erfolgen; nur bei etwa 25 % der Kühe bedurfte die Trockenstellempfehlung einer mikrobiologischen Untersuchung von Milchproben.

Insgesamt wurden 89.0 % der Tiere nach der Handlungsempfehlung trockengestellt (n = 1219). Die meisten Abweichungen (n = 119) in Bezug auf die Umsetzung des Trockenstellens im Vergleich zu den gegebenen Empfehlungen traten bei denjenigen Kühen auf, die gemäss den verfügbaren Daten als „definiert eutergesund“ klassifiziert, jedoch von den Landwirtinnen und Landwirten trotzdem mit Antibiotika trocken gestellt wurden. Dies war vor allem in Betrieben mit höheren durchschnittliche theoretischen Tankzellzahlen der Fall. Im Gegensatz dazu scheinen Landwirtinnen und Landwirte in Betrieben mit stabiler Eutergesundheit eine höhere Sensibilität für datengestützte Entscheidungen zu haben, was eine selektive Anwendung von Antibiotika zusätzlich unterstützt.

Insgesamt wurden 38.4 % (n = 526) der Kühe ohne Einsatz von antibiotischen Langzeitpräparaten trockengestellt. Auf Betriebsebene waren die Anteile mit 2.4 – 71.3 % sehr unterschiedlich, zeigen aber ein hohes Einsparpotential beim Einsatz von Antibiotika zum Trockenstellen im Vergleich zur «blanket-dry-cow-therapy» auf. Dabei variiert das Einsparpotenzial von Antibiotika entsprechend den Kriterien zur Herdeneutergesundheit. Es zeigte sich, dass Betriebe mit niedrigeren theoretischen Tankzellzahlen häufiger die Empfehlung erhielten, auf den Einsatz antibiotischer Trockenstellpräparate zu verzichten. Diese Ergebnisse bestätigen erwartungsgemäss, dass Herden mit niedrigeren Herdenzellzahlen tendenziell geringere Prävalenzen subklinischer Mastitiden aufweisen. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Tiere, die als „eutergesund“ klassifiziert werden können und folglich für eine nicht antibiotische Trockenstellstrategie in Frage kommen.

Die Milchzellzahl nach der Trockenperiode lag bei Tieren, die ohne und mit einem antibiotischen Langzeitpräparat trocken gestellt wurden, im Mittel unter 100 000 Zellen/ml. Die Anteile an Neuinfektionen und Heilungen während der Trockenperiode unterschieden sich zwischen Tieren mit oder ohne antibiotischem Trockenstellpräparat nicht signifikant.

Fazit: Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass der evaluierte Entscheidungsbaum zum selektiven Trockenstellen für eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes ohne Gefährdung der Herdeneutergesundheit sowohl in Betrieben mit stabiler als auch suboptimaler Herdeneutergesundheit verlässlich genutzt werden kann.

Aktuell hat der Landeskontrollverband Bayern (LKV) dazu IQ Expert lanciert, das Landwirte mit regelmässiger Milchwägung mit Freigabe ihrer Milchprobenresultate nutzen können.

https://www.lkv.bayern.de/die-neue-digitale-entscheidungshilfe-im-pro-gesund-modul-steuert-antibiotische-trockensteller/

Stoll et al.: Validierung eines Entscheidungsbaums für das selektive Trockenstellen von Milchkühen für ein digitales Expertensystem. Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2025; 53(01): 5-24. DOI: 10.1055/a-2510-3874
 

Autorin: Maren Feldmann RGS

 

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