Vet’s Corner 05/2024

MTM King, RD Matson and TJ DeVries (2021):

Connecting farmer mental health with cow health and welfare on dairy farms using robotic milking systems

Animal Welfare 2021, 30: 25-38; https://doi.org/10.7120/09627286.30.1.025

Einleitung

Sei es ganz einfach aus Leidenschaft für die Kühe oder um die Produktion effizienter zu gestalten: Tierwohl hatte bei einer Umfrage bei kanadischen Milchproduzenten oberste Priorität. Geht es den Tieren nicht gut, so ist das eine Ursache für Stress und Ängste. Einen Hof zu bewirtschaften ist nicht nur physisch, sondern auch psychisch weltweit einer der herausforderndsten Berufe. Es wurde gezeigt, dass bei Landwirt/innen im Vergleich zu ähnlichen Berufen mehr Depressionen, Burn-outs und Suizide vorkommen. Ausserdem zeigt diese Berufsgruppe eine tiefere emotionale Resilienz als die Norm der Gesellschaft.

Einschub Wikipedia: Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften), auch Anpassungsfähigkeit, ist der Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren.

Es wird angenommen, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Wohl der Kühe und dem Wohl ihrer Betreuer/Innen gibt. Dies hat parallel zum inzwischen bekannten «One Health» Konzept zum «One Welfare» Ansatz geführt. Dieser Ansatz "beschreibt die Wechselbeziehungen zwischen dem Wohlergehen von Tieren, menschlichem Wohlbefinden und der physischen und sozialen Umwelt" (Pinillos 2018). Der Gedanke ist bei domestizierten Tieren besonders relevant. Beispiele sind Landwirt/innen, die nach Tierschutzanzeigen in Depressionen, Alkohol und soziale Probleme abrutschen. Umgekehrt wurde auch gezeigt, dass Landwirt/innen mit ökonomischen und psychischen Problemen das höchste Risiko haben, wegen Vernachlässigung von Tieren angezeigt zu werden.

Die Aufmerksamkeit ist momentan stark auf das Tierwohl gerichtet und die Perspektive der Landwirt/innen häufig zu wenig gut repräsentiert. Dabei sind sie es, die sich täglich um die Tiere kümmern und damit den direktesten Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben.

Die Hypothese der Studie war, dass Scores für eine bessere mentale Gesundheit der Landwirt/innen mit einem besseren Wohlergehen der Tiere verbunden werden können.

Material und Methoden

Die Studie hat sich auf 28 Milchfarmen mit Melkrobotern in Ontario beschränkt. Die Farmen wurden besucht, um sich eine Übersicht zu Management und Infrastruktur (Stallbau, usw.) zu verschaffen. Dieselbe Person hat bei jeweils 30 Kühen die Körperkondition (Skala von 1-5) und die Lahmheit (ebenfalls 1-5) beurteilt. Bereits 6 Monate vor dem Besuch wurde damit begonnen, Milchleistungsdaten des Betriebs auszuwerten. Die Betriebsleiter haben ausserdem einen bereits in anderen Studien validierten Fragebogen zu ihrer mentalen Verfassung ausgefüllt, mit den Abschnitten Stress, Resilienz und Angst/Depression.

Daraus sind kategorische Variablen wie Geschlecht, soziales Umfeld (Arbeit vor allem allein oder geteilt), Altersgruppe und Füttern über einen Automaten oder von Hand entstanden. Füttern von Hand war definiert als Arbeit mit dem Traktor (Futtermischwagen), automatische Fütterung kam dann zum Zug, wenn z.B. ein Fütterungsroboter im Einsatz war.

Daneben gab es viele kontinuierliche Variablen wie Anzahl laktierende Kühe, Milchleistung, Zellzahl, Protein- und Fettgehalt, Anteil unterkonditionierte Kühe, Prävalenz lahmer Kühe usw.

Die verschiedenen Variablen wurden einzeln mit Stress, Ängsten, Depression und Resilienz in Verbindung gesetzt, aber auch in einem multivariablen Modell. Letzteres bietet den Vorteil, dass Zusammenhangs- und Abhängigkeitsstrukturen zwischen den Variablen mitberücksichtigt werden.

Resultate und Diskussion

Es ist spannend, die Resultate der einzelnen Variablen anzuschauen. So scheint zum Beispiel der Milchproteingehalt eine Tendenz zu haben, dann höher zu sein, wenn es den Landwirt/innen gut geht. Bei der Depression und den Ängsten ist der Zusammenhang sogar im multivariablen Modell statistisch signifikant. In dieser Berechnung werden nur noch wenige signifikante Zusammenhänge herausgefiltert. So kann man sagen, dass das Stresslevel und die Ängste bei gehäuft starken Lahmheiten steigen (oder eben umgekehrt: die Lahmheiten nehmen zu beim gestressten Bauer) und dass eine automatische Fütterung mit weniger Stress, Ängsten und Depressionen, sowie einer grösseren Resilienz verbunden war. Auch geteilte Arbeit hat sich positiv auf Ängste und Depressionen ausgewirkt. Generell neigten Frauen in dieser Studie eher dazu, mental belastet zu sein als Männer. Es haben jedoch insgesamt nur acht Frauen mitgemacht. Die Altersgruppe war im Modell nie signifikant. Bei den Einzelvergleichen zeigten sich folgende Tendenzen: Die älteste Gruppe (45-64) neigte eher zu Stress, war weniger ängstlich, neigte mehr zu Depressionen und war resilienter als die 30-44-jährigen, jedoch weniger resilient als die 18-29-jährigen.

Mit gesunden Kühen wird mehr Geld verdient, was zu weniger finanziellen Sorgen führt. Ein ruhiger Umgang mit den Kühen führt zu weniger abrupten Bewegungen und damit zu weniger Lahmheit. So beeinflussen sich viele Faktoren gegenseitig und es ist häufig schwer zu sagen, was zuerst da war.

Auch Umwelteinflüsse spielen eine Rolle: So haben Studien gezeigt, dass Pestizide die mentale Gesundheit von Landwirt/innen in Entwicklungsländern, aber auch in modernen Ländern, beeinflussen. Speziell in Australien wurde gezeigt, dass Variabilität im Klima einen grossen Effekt hatte.

Es besteht eine grosse Einigkeit unter Landwirt/innen, dass Melkroboter die Lebensqualität erhöht haben. Die Studie zeigt weiterhin das Potential bei automatisierter Fütterung.

Da es auf den untersuchten Höfen schon eine Automatisierung durch Melkroboter gab, war es bereits ein Stück weit eine Positivauswahl. Man kann ausserdem vermuten, dass Landwirt/innen, die mehr freie Zeit haben, eher an einer solchen Studie mitmachen als andere. Allerdings könnte die Motivation bei Personen, die von Problemen selber betroffen sind, grösser sein.

Die Studie hat weder im Stall noch bei den Kühen die Hygiene beurteilt und auch die physische Gesundheit der Teilnehmer/innen war nicht bekannt. Die Autoren sehen die Arbeit als explorative Pilotstudie in einem Feld, das noch weiter ausgelotet werden sollte.

 

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