Das Kolostrum:
Wenn es ein „Wundermittel“ gäbe, könnte es gut das Kolostrum sein! Neben Nährstoffen und Antikörpern enthält es Immunzellen (Makrophagen, Monozyten und einige Lymphozyten), die die Immunantwort der Kälber positiv beeinflussen. Diese Zellen sind jedoch empfindlich gegenüber dem Einfrieren und der Pasteurisierung. Angesichts des aktuellen Wissensstandes wird davon abgeraten, Kolostrum routinemäßig einzufrieren.
Darüber hinaus enthält Kolostrum in hoher Konzentration bioaktive Proteine wie Wachstumsfaktoren (IGF = Insulin-like growth factor) und Insulin. Diese Substanzen wirken sich positiv auf die Entwicklung der Darmzotten des Kalbes aus und fördern die Nährstoffaufnahme. Eine Studie (Lorenz, 2021) zeigte, dass die Gabe von Kolostrum oder einer Kolostrum-Milch-Mischung in den ersten 3 Lebenstagen des Kalbes die IgG-Konzentration im Serum nicht erhöht, jedoch das Wachstum und die Reifung des Dünndarms positiv beeinflusst. Daher wäre es wichtig, das Kalb weiterhin mit der Milch der Mutter zu versorgen.
Die Wirkung der Oligosaccharide im Kolostrum ist noch nicht vollständig verstanden, aber es ist bekannt, dass sie verhindern, dass Krankheitserreger an die Darmzellen binden und die Darmpermeabilität verringern. Sie dienen auch als Kohlenstoffquelle für die Darmmikrobiota (Lactobacillus und Bifidobacterium) und reduzieren so das Wachstum von E. coli.
Im Hinblick auf typische neonatale Erkrankungen wie Enteritiden, Septikämien und Atemwegserkrankungen sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Widerstandskraft der Tiere zu erhöhen, ihre Exposition gegenüber Infektionsrisiken zu minimieren und gegebenenfalls geeignete Bekämpfungsmaßnahmen einzuführen.
Ein qualitativ hochwertiges Kolostrum ist entscheidend, um die Widerstandskraft der Tiere zu erhöhen, und dies kann mit der „5Q“-Regel bewertet werden:
Die 5Q-Kategorien zur Bewertung des Kolostrums:
Absetzen des Kalbes:
Ein Schlüsselsatz, den sich praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte merken sollte, lautet: „Für ein gutes Absetzen braucht es einen guten Start ins Leben.“
Stress in dieser Übergangszeit zu minimieren, ist entscheidend, da das Absetzen selbst schon eine große Menge Stress verursacht.
Zum Zeitpunkt des Absetzens sollte das Kalb das Doppelte seines Geburtsgewichts erreicht haben. Der durchschnittliche tägliche Zuwachs vor dem Absetzen beeinflusst die Milchproduktion der zukünftigen Kuh. Laut Gaudin et al., 2019, führt eine Zunahme der Tageszunahmen um 100 g vor dem Absetzen zu 155–225 Litern mehr Milch pro Laktation.
Eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Absetzen ist die ausreichende Entwicklung des Pansens, was bedeutet, dass das Kalb eine abwechslungsreiche Ernährung erhalten haben muss. Agustinho et al., 2024, beobachteten, dass der BHB-Wert mit der Pansenentwicklung und besonders mit der Fermentationskapazität des Pansens korreliert. Ein BHB-Wert von > 0,2–0,3 mmol/l beim Absetzen zeigt an, dass der Pansen ausreichend entwickelt ist.
Abschließend lassen sich die 3 M des Absetzens formulieren:
Reproduktion:
Das Thema Endometritis hat mich besonders interessiert. Es handelt sich dabei um eine Entzündung der Gebärmutterschleimhaut, die ab dem 21. Tag nach der Geburt auftreten kann. Eine intensive Entzündungsreaktion in der ersten Woche nach der Geburt ist für die Gesundheit der Gebärmutter vorteilhaft, sollte jedoch bis zum 45. Tag nach der Geburt abklingen. Hypokalzämie in den ersten Tagen nach der Geburt und oxidativer Stress durch den Beginn der Laktation beeinträchtigen die Immunantwort, indem sie die Phagozytosefähigkeit der Leukozyten verringern.
Wie diagnostiziert man eine Endometritis? Der Durchmesser des Gebärmutterhalses kann als diagnostisches Hilfsmittel verwendet werden: Ein Gebärmutterhalsdurchmesser von > 7,5 cm weist in 70% der Fälle auf eine Endometritis hin. Der Durchmesser der Uterushörner ist kein zuverlässiger Indikator. Die bevorzugte Methode ist, wenig überraschend, die Untersuchung der Vaginalsekrete ab dem 21. Tag nach der Geburt. Eine Reaktivierung des Entzündungsprozesses kann jedoch auch Wochen nach der Geburt auftreten, selbst wenn die Untersuchung zunächst negativ war. Die Gründe für diese Reaktivierung sind nicht bekannt.
Abschließend sollte beachtet werden, dass 40% der Endometritiden subklinisch verlaufen. Der diagnostische Test kann einfach durchgeführt werden, indem ein Uterusabstrich mit einem Cytobrush entnommen wird. Dieser wird dann in ein Röhrchen mit NaCl gelegt während 3 Minuten. Anschließend wird ein Urinstick verwendet, um die Leukozyten zu bestimmen.
Die Auswirkungen einer Endometritis auf die Fruchtbarkeit: Einerseits haben die während der Entzündung freigesetzten Zytokine eine spermizide Wirkung und beeinflussen die Einnistung des Embryos negativ. Andererseits führen sie zu einer Reduktion von GnRH und damit der LH-Produktion, was die Follikelreifung verlangsamt. Dies bedeutet praktisch, dass es zu einer verringerten Brunstaktivität, einer verzögerten oder gar ausbleibenden Ovulation kommt. Die Qualität des Gelbkörpers wird ebenfalls beeinträchtigt, was das Risiko einer Hypoprogesteronämie erhöht.
Alle Kühe in Anöstrie, die nicht tragend sind, sollten auf eine subklinische Endometritis untersucht und gegebenenfalls behandelt werden.
Bezüglich der Therapie: Trotz der entzündlichen Natur der Endometritis haben Behandlungsversuche ausschließlich mit entzündungshemmenden Mitteln keine erfolgreichen Ergebnisse gebracht. In Bezug auf hormonelle Behandlungen (PGF2α) gibt es einen nachgewiesenen Nutzen im Falle einer Pyometra (Haimerl et al., 2012).
Hypokalzämie:
Abschließend noch einige Worte zu subklinischen Hypokalzämien. Basierend auf Blutanalysen an den Tagen 1 und 4 nach der Geburt, wurden die Kühe in vier Kategorien eingeteilt: normokalzämisch, subklinisch hypokalzämisch, persistierend und verzögert hypokalzämisch. Kühe in den Kategorien persistierende und verzögerte Hypokalzämie zeigen höhere Krankheitsraten, verringerten Appetit, schlechtere Fruchtbarkeit und eine verminderte Milchproduktion und werden als «dyskalzämisch» bezeichnet. Dyskalzämie ist definiert durch einen Kalziumwert im Blut von ≤ 2,2 mmol/l an Tag 4 nach der Geburt (Mc Art und Oetzel, 2023).
Eine Studie (Seminara et al., 2025) zeigte, dass eine hohe Konzentration von Entzündungsmarkern (Serum Amyloid A, Haptoglobin, Lipopolysaccharid-bindende Proteine) stark mit Dyskalzämie korreliert. Es ist jedoch noch unklar, ob die Dyskalzämie eine Folge der starken Entzündungsreaktion ist (die zuvor auftritt) oder ob es eine gemeinsame Ursache für beide Phänomene gibt. Weitere Forschungsarbeiten könnten vielleicht bald diese Fragen beantworten und uns helfen, neue Ansätze für das Management der Phase um die Geburt zu entwickeln.
Antworten erwarten wir auf dem nächsten Kongress!
Autorin: Véronique Schneider, RGS