Genetic selection to reduce lameness in dairy cattle
Matthew Barden, Donagh P Berry, Marco Winters, and George Oikonomou
Livestock 2024 29:1, 22-28
https://doi.org/10.12968/live.2024.29.1.22
Die durchschnittliche Milchleistung von amerikanischen Holsteinkühen hat sich verfünffacht im letzten Jahrhundert, die Hälfte davon ist der genetischen Selektion zuzuschreiben. Unvorteilhafte genetische Korrelationen führten jedoch gleichzeitig zu einer genetischen Verschlechterung von Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wohlergehen im letzten halben Jahrhundert. Ein verändertes Auswahlverfahren konnte jedoch die Fruchtbarkeit wieder in die andere Richtung lenken, jedoch sind Hochleistungskühe immer noch schlecht adaptiert an die aktuellen Haltungsformen, dies zeigt sich in der hohen Prävalenz von Lahmheiten.
Genetische Selektion ist die purste Form von Präventivmedizin. Durch die Auswahl von Kühen mit geringer genetischer Prädisposition für eine Krankheit, kann das Risiko für eine Krankheit reduziert werden, bevor die Nachkommen existieren. Bekannt ist, dass Lahmheiten durch ein gutes Management stark reduziert werden; die genetische Selektion könnte jedoch mit geringen zusätzlichen Kosten einen weiteren beachtlichen Beitrag zu diesen Bemühungen leisten.
Genetische Selektion stützt sich auf das Verhältnis von der Verschiedenheit der Kühe für ein Merkmal aufgrund genetischer Unterschiede. Erblichkeit eines Merkmals ist wichtig, jedoch ist die genetische Variation in einer Population wichtiger. Wenn genetische Verschiedenheit zu einem verschieden ausgeprägten Merkmal führt, kann das Merkmal zur genetischen Selektion herangezogen werden. Um dies zu erreichen, müssen alle Tiere bewertet werden. Die PTA (predicted transmitting ability) zeigt, wie stark das ausgeprägte Merkmal sich auf die Nachkommen überträgt. Wenn genetisch überragende Tiere immer wieder als Elterntiere für die kommende Generation selektioniert werden, dann wird sich über mehrere Generationen der genetische Mittelwert der Population für dieses Merkmal erhöhen.
Lahmheit ist ein Symptom mit verschiedenen Ursachen, wobei Klauenerkrankungen eindeutig im Vordergrund stehen. Somit eignen sich Befunde, welche bei der Klauenpflege erhoben werden, ideal für die Bewertung der Klauengesundheit. Um diese Daten zu verwerten, müssen Klauenläsionen korrekt identifiziert und routinemässig aufgezeichnet werden. Zwingend ist auch die Dokumentation aller gesunden Kühe, damit der genetische Mittelwert der Population erhoben werden kann.
In der Vergangenheit haben Landwirte und Zuchtorganisationen versucht, anhand von Klauen- und Beinstellungen den genetischen Mittelwert eines Bestandes zu erhöhen, jedoch korreliert dieser ungenügend mit der Klauengesundheit, weshalb die direkte Selektion auf tatsächliche vorhandene Klauenläsionen allgemein als der effektivste Ansatz angesehen wird.
Seit 2018 gibt es in den UK einen Lahmheitsvorsprungszuchtwert (Lahmheits-PTA), der für diverse Rassen u.a. Holstein, Jersey, Fleckvieh und Browns Swiss erhältlich ist. Die Erblichkeit für Lahmheit ist mit etwa 0.03 sehr gering, deshalb ist es wichtig viele Daten zu haben, damit die besten Tiere selektioniert werden können. In diesem Lahmheits-PTA sind weitere Informationen bzgl. Dermatitis digitalis, Knochenqualität, Fortbewegung, Klauen- und Beinstellung erfasst. Der Wert wird von -5% bis +5% angegeben, wobei höhere Werte eine bessere Genetik für Klauengesundheit widerspiegeln. Zusätzlich gibt es seit 2020 einen alleinigen Zuchtwert für Dermatitis digitalis. Bei einem Wert von -1 bis -0.5 hatten 51% der Tiere Dermatitis digitalis. Hingegen erkrankten in der Gruppe mit besseren Zuchtwerten von +0.5 bis +1, lediglich 25%.
Genetische Selektion gewährt einen Langzeit- und einen kumulativen Mehrwert. Einen Mehrwert für seinen Bestand kann man erreichen, in dem man Stiere mit einem positiven Lahmheits-PTA einsetzt, jedoch kann man diesen Fortschritt noch verstärken, indem man auch die Kühe mit einem positiven Lahmheits-PTA selektioniert. Die Genauigkeit dieses Zuchtwertes ist abhängig davon, wie stark die Erblichkeit ist und vor allem wieviel phänotypische und oder genotypische Informationen von Vorfahren- und Nachkommengenerationen vorliegen.
Umso kürzer einer Generationsintervall, also die Zeit zwischen zwei Generationen, umso höher ist der jährliche genetische Fortschritt. Seit man die genetische Information eines Tieres schon bei Geburt bestimmen kann und nicht mehr auf eine Nachkommenzuchtprüfung warten muss, konnte durch den Einsatz junger Stiere das Generationsintervall deutlich verkürzt werden. Auch die Identifikation und Auswahl der genetisch besten Rinder, führt zu einem verkürzten Generationsintervall in einer Herde und schnellerem Erreichen eines genetischen Zieles.
Dem ADHB-Herdengenetikbericht (Agriculture and Horticulture Development Board, UK) kann man entnehmen, welchen Lahmheits-PTA die einzelnen Tiere der Herde haben und wo der Herdendurchschnitt liegt. Um durch Selektion Fortschritte zu erreichen, sollen nur Stiere mit einem höheren Zuchtwert, verglichen zur Herde, eingesetzt werden. Um noch schneller einen Erfolg zu sehen, soll man die Tiere mit den tiefsten Lahmheits-PTA-Werten in der Herde von der Zucht ausschliessen.
Der ebenfalls erhältliche Lebenszeitprofitabilitäts-Index enthält verschiedene Zuchtwerte bzgl. Profitabilität, Produktion, Gesundheit und Funktionalität u.a. auch den Lahmheits-PTA. Da dieser nur ein Teil davon ist, kann ein Tier einen hohen Lebzeitprofitabilitäts-Index haben, mit nicht zwingend hohem Lahmheits-PTA. Deshalb empfiehlt es sich, Stiere auszuwählen, die bei beiden Werten hohes Potential haben, diese haben oft auch eine positive Korrelation in den Werten Milchmenge, Protein- und Fettgehalt.
Lahmheit bei Milchkühen ist ein Problem, welches die Branche aktuell stark fordert. Die Landwirte brauchen verschiedene Lösungsansätze, um die Lahmheitsprävalenz in ihrer Herde zu senken. Die genetische Selektion mithilfe eines Lahmheits-PTA ist dabei ein wichtiges Tool, das neben Managementaspekten das Vorkommen von Lahmheiten nachhaltig senken kann.